ORF nachlese Mai 2017

Familiensache?

Gesundheitstipp von
Univ. Prof. Dr. Siegfried Meryn
Jeder von uns kennt wohl Menschen mit einer Krebserkrankung. In einigen Fällen häufen sie sich offenbar in Familien. Zufall oder tatsächlich genetische Veranlagung? Fest steht für Mediziner heute: Lediglich ein Prozent der Krebserkrankungen haben eine erbliche Ursache. Wenn Krebsarten gehäuft vorkommen, sind es überwiegend drei – Brust-, Eierstock- und Darmkrebs. Doch auch hier sind es nur rund fünf Prozent aller Fälle, die durch erbliche Veranlagung bedingt sind.
Findet sich nun die zugrundeliegende Veränderung im Erbmaterial von Mutter oder Vater, in Ei- oder Samenzellen, kann ein erhöhtes Krebsrisiko an die nächste Generation vererbt werden. Die Betonung liegt allerdings auf dem Wort Risiko. Denn eine Häufung von Krebs in Ihrer Familie bedeutet nicht automatisch, dass auch Sie an Krebs erkranken! Bei Verdacht auf familiären Brust- oder Eierstockkrebs besteht die Möglichkeit einer genetischen Testung.

Genetischer Krebstest

Dieser Test sagt jedoch nichts darüber aus, wann, an welcher Art oder ob überhaupt eine Krebserkrankung eintreten wird! Das Ergebnis kann lediglich auf ein erhöhtes Risiko hinweisen. So gilt auch umgekehrt, dass bei einem negativen Testergebnis zwar kein nachgewiesenes genetisches Risiko für eine Krebserkrankung besteht, aber nicht automatisch gesagt ist, dass jemand im Laufe seines Lebens nicht an Krebs erkranken kann.
Sinnvoll ist eine genetische Testung, wenn in Ihrer Familie folgende Kriterien erfüllt sind:
  • 2 Brustkrebsfälle vor dem 50. Lebensjahr
  • 3 Brustkrebsfälle vor dem 60. Lebensjahr
  • 1 Brustkrebsfall vor dem 35. Lebensjahr
  • 1 Brustkrebsfall vor dem 50. und 1 Eierstockkrebsfall jeglichen Alters
  • 2 Eierstockkrebsfälle jeglichen Alters
  • Männlicher und weiblicher Brustkrebs jeglichen Alters
Haben Sie in Ihrer Familie nahe Verwandte, die an Darmkrebs erkrankt waren/sind, sollten Sie unbedingt vor dem 50. Lebensjahr eine Darmspiegelung durchführen lassen. Sind/waren in Ihrer Familie zwei oder mehrere nahe Verwandte an Darmkrebs erkrankt, dann besteht auch hier die Möglichkeit einer genetischen Testung.

Tumormarker

Nicht zu verwechseln ist die genetische Austestung allerdings mit den sogenannten Tumormarkern. Dabei handelt es sich um Proteine oder andere Substanzen, die im Blut, Urin oder Gewebe des Menschen vorkommen – auch bei völlig gesunden Menschen. Eine erhöhte Konzentration dieser Werte kann auf das Vorhandensein eines Tumors hindeuten. Aber auch etwa Rauchen oder eine Entzündung können Marker verändern. Somit müssen die Ursachen der Veränderung erst vom behandelnden Arzt abgeklärt werden. Ein typisches Beispiel eines Tumormarkers ist der PSA-Wert, das prostataspezifische Antigen: Ein einzelner erhöhter Wert kann auf Prostatakrebs hindeuten, aber auch lediglich auf eine Prostataentzündung. Deshalb: Keine voreiligen Schlüsse ziehen!
Und selbst wenn mehrere Patienten in einer Familie an Krebs erkrankt sind, muss die Ursache nicht zwangsläufig eine allen gemeinsame Veränderung in der Erbinformation sein, die von einer Generation an die nächste weitergegeben wird. Ebenso denkbar sind gemeinsame Risikofaktoren, die sich aus dem Lebensstil in einer Familie ergeben. Dazu gehören etwa Ernährungsgewohnheiten oder der Umgang mit Nikotin und Alkohol. Sind die meisten Betroffenen erst in höherem Lebensalter erkrankt und kommen in einer Familie verschiedene Krebsarten vor, deutet dies eher darauf hin, dass die Erkrankungen spontan aufgetreten sind und erbliche Faktoren kaum eine Rolle spielen.

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